26. Lange Buchnacht
in der Oranienstraße

Samstag,
17. Mai 2025

18 Uhr
14a Zum Goldenen Hahn

Heike Avsar & Siebrand Rehberg. Zwei Ansichten

Leben und Überleben ohne Dach über dem Kopf

Herr P., einst erfolgreicher Geschäftsmann, verliert durch einen Schicksalsschlag Familie und Lebensinhalt. Von Schuldgefühlen gequält und obdachlos, lebt er von nun an als Einzelgänger am Rande der Gesellschaft. Von der Sinnlosigkeit des Daseins überzeugt, hält er wegen seines treuen Hundes am Leben fest – für ihn nimmt er den täglichen Kampf ums schwierige Überleben, die überwiegende Verachtung und das Wegschauen einer Überflussgesellschaft in der Großstadt, in Kauf.
Ein gesellschaftskritischer Roman, der einfühlsam das Leben in Obdachlosigkeit, Armut und Ausgrenzung beschreibt.
 
Heike Avsar (geb.1959) lebt und arbeitet in Berlin. Seit 2006 freie Autorin. Zuletzt im Bereich Medienpädagogik als Kulturredakteurin und Rezensentin für ein Jugend-Onlinemagazin tätig. Roman-Veröffentlichungen (Geest-Verlag) Debüt-Roman Sterne über Anatolien – Leben zwischen zwei Kulturen (2016), Der tiefe Fall des Herrn P. oder die Würde des Menschen (2019), Der Bernsteinreif – Roman vom (UN)GLÜCK der Julia R. im Nachkriegsdeutschland (2023). Zudem Veröffentlichungen von Kurzgeschichten in Festschriften. Regelmäßige Lesungen aus eigenen und fremden Werken.

Siebrand Rehberg, Jahrgang 1943, ist ein Chronist Berlins. Ein Dokumentarfotograf braucht oft langen Atem, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Seine Bilder der geteilten Frontstadt der frühen Siebzigerjahre lagen 40 Jahre im Archiv, bis sie Wirkung und Öffentlichkeit erreichten. Mit dem Fotoband Signale des Aufbruchs (Nicolai Verlag) und der mehrfachen Teilnahme am Festival European Month Of Photography eine späte Wertschätzung.

Die Ermutigung dazu, sich nochmals in Kreuzberg und anderswo der Gegenwart anzunähern. Quasi die Sinfonie einer Großstadt mit fotografischen Mitteln. Die Begegnung mit einer extremen Stadt, weltoffen und tolerant im Selbstverständnis, touristischer Anziehungspunkt. Aber hinter dieser Fassade das Bündel der sozialen Verwerfungen: Wohnungslosigkeit, Verdrängung und Mietenwahnsinn, brutale Armut in der Partyzone ohne Sperrstunde. Die Hoffnung, dass eine spätere Generation sein Werk als Erinnerungsarbeit wahrnimmt. Von 2012 bis 2022 sammelte er mehr als 4000 Motive, die mit dem Titel Berlin. Ungeschönt in einer Auswahl 2024 als Fotobuch erschienen sind.

Auf der Straße leben ist der härteste Motivkomplex dieses Projekts. Sensibel und vorsichtig nähert sich der Fotograf den Menschen an, die sichtbar / unsichtbar sind. Alle haben einen Namen, eine Biografie, eine Existenzberechtigung. Unter Hochbahnbrücken, in Bushaltestellen, an verborgenen Ecken. Ihre Überlebensstrategien sind vielfältig, ihre Hoffnungen reduziert. Berlin Is Drowning Me sangen die Mobiles in den Achtzigern. Wie viele enttäuschte Erwartungen, wie viel Hoffnungslosigkeit. Es gibt wahrscheinlich viele Gründe, auf der Straße leben zu müssen. Freiwillig sind wenige unterwegs. Diese Fotostrecke ist ein Vorwurf an eine Gesellschaft, die wegschaut und vergisst. Als Signal an eine spätere Generation. (Text: Erik Steffen)
Das Fotowerk ist bei der Buchhandlung Kisch & Co., Oranienstraße 32, erhältlich.
Ort:

Zum Goldenen Hahn

Oranienstraße 14a, Berlin
Veranstalter:
Text Flex