Hendrik Blumentrath und Anna Echterhölter lesen aus: »Jenseits des Geldes. Aporien der Rationierung« (2017)
Die Gleichverteilung von Lebensmitteln in Zeiten der Knappheit ist in Vergessenheit geraten. Die Maßnahme besteht jedoch fort und es kommt, mit zunehmender Migration, derzeit zu einer regelrechten Renaissance der Rationierung. Dies gibt Anlass zu einer theoretischen Bestandsaufnahme dieser Form von Distribution – ihrer Prinzipien und Probleme. Denn in der Praxis werden die Pläne der Bürokratie immer wieder durchkreuzt von den unvergleichlichen Materialien, Bedürfnissen und Physiologien. Allokation jenseits des Geldes bezieht sich nicht auf Leistung, sondern auf das Dasein. Hier aber beginnen die Widersprüche. Die Grundrechte aller werden nicht nur verbürgt, sondern direkt gefährdet und unterminiert. Warlam Schalamow verstand es, diese Aporien der Rationierung mit großer Lakonie in Erzählungen zu fassen, von denen eine in den Band aufgenommen wurde. Die Autor*innen gehen in den jeweiligen Kapiteln sowohl auf das literarische Echo der Rationierung bei Joseph Roth und Martin Andersen Nexø ein als auch auf die materiellen Spuren der Verwaltungsgelder von den Patacones bis zur OneCard. So zeigt sich, dass die Rationierung mit all ihren Planungs- und Steuerungsphantasien ein wiedergängerisches und wenig beachtetes Eigenleben führt. Sie kommt durchaus nicht nur im Staatssozialismus zum Einsatz, sondern bei der Gründung Israels wie Kubas; in den Kriegsökonomien Österreichs wie Dänemarks; im sowjetischen Gulag wie in der argentinischen Finanzkrise; in der Katastrophenhilfe, in jordanischen Flüchtlingscamps und in Erstaufnahmeeinrichtungen der Asylsuchenden. Das Buch wurde als ilinx.Kollaboration gemeinsam mit Frederike Felcht und Karin Harrasser verfasst und erscheint bei Philo Fine Arts, Hamburg. Es entstand im Umfeld der Zeitschrift »ilinx— Berliner Beiträge zur Kulturwissenschaft«, von der gerade die »Workarounds« erschienen sind. http://www.ilinx-kultur.org
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